Samstag, 23. April 2011

Auf ein Neues (24. Februar - 1. März 2011)



Am Donnerstag, 24. Februar 2011 besuchte Mamma mich und brachte frische Klamotten. Wir konnten die Zeit über, in der wir zusammen waren sogar relativ gut verbergen, das wir eine Heidenangst vor allem, was noch kommt haben.
Um 14:00 Uhr jedenfalls hatte ich dann einen Termin in der Strahlenklinik zur ersten von zwölf Einheiten. Es wurden auch gleich noch Bilder gemacht. Also ich weiß nicht, ob das mehr mit Röntgen oder mit CT zu tun hat, aber mit dem Bestrahlungsgerät (Linearbeschleuniger) kann man auch durch Menschen durchleuchten, um zu kontrollieren, ob sie richtig liegen. Ich durfte mich meines T-Shirts entledigen (woohoo), den BH aber anbehalten (awwww) und das ganze Metall aus meinen Ohren & der Nase entfernen (weil's sonst unbequem wird unter der Maske). Dann musste ich mich auf eine Liege legen und wurde mittels der Maske am Tisch festgeschnallt, konnte also meinen Kopf nicht mehr bewegen. Dann wurde ich noch ausgerichtet, d.h. in Position gebracht (die Liege kann nämlich hoch-, zur Seite und runtergefahren werden. dazu sind die Markierungen am der Maske da, damit ich immer exakt gleich liege und auch wirklich nur das Nötigste bestrahlt wird. Dann verlassen alle den Raum, der Beschleuniger fährt automatisch in die programmierte Stellung und schießt los. Das dauert in meinem Fall nicht mal zwei Minuten, tut nicht weh und ist eigentlich auch nicht zu spüren (worüber ich mich mit einem gewissen Radiologen allerdings streiten kann...). Dann gab's noch Mundspüllösung & 'ne Creme und ich durfte abhauen.
Am Abend habe ich - ausgerechnet ich - der Schwester geholfen, den Kindern die Tabletten "schmackhaft" zu machen.

Freitag, 25. Februar 2011:
Morgens um 6:00 Uhr in Deutschland. Nicht unbedingt meine Uhrzeit, aber das interessiert nicht, also: aufstehen, denn um 7:20 Uhr musste ich zur Bestrahlung. Um 11:00 Uhr ging's dann los mit Pullerbeutel und Chemo (die an Tag eins übrigens mit nur ein Medikament á 90 Minuten läuft). Ich saß da und wartete gespannt auf irgendein Anzeichen von Nebenwirkungen, aber ich konnte lange warten, denn es zeigte sich keine Übelkeit oder sonst irgendwas, also verzichtete ich auf Vomex und das ging auch gut.
Allerdings kamen mir Zweifel an der ganzen Sache, denn ich hatte noch im Hinterkopf, was die Ärzte mir damals, 2009, zu Thema Nebenwirkungen gesagt hatten. Die Docs haben es lieber, wenn sich mehr oder weniger starke Nebenwirkungen zeigen, weil sie dann wissen, dass etwas passiert. Folglich fing ich an, Panik zu schieben, dass das neue Zeug nicht wirkt. Drei Ärzte und mehrere Schwestern waren nötig, um mir glaubhaft zu machen, dass das so gar nicht laufen muss.
Und mein Hals - oh je. Der wurde immer dicker auf der linken Seite, bisweilen sogar so dick, als würde man eine Hand an den Hals legen. Und die Haut dehnt sich ja nicht ganz so schnell mit, so dass sich mein Hals zu eng für all' den Inhalt anfühlte. Also fingen wir an, jeden morgen den Halsumfang zu messen.
Dann bekam ich noch Besuch von Georgina und wir sprachen über zwei heißgeliebte Themen: über eine Patientenverfügung und über mein Testament. Ich weiß nicht, wie es bei gesunden Menschen aussieht, aber jedes Mal, wenn ich, egal mit wem, auf das Thema Testament komme fühlt es sich an, wie halb beerdigt. Das ist grausam, aber leider unausweichlich.

Der Samstag, 26. Februar 2011 begann leider weniger erfreulich. Gegen 10:00 Uhr musste ich urplötzlich Galle erbrechen, nachdem ich mich kurz zuvor noch gefragt hatte, ob die Schwester mir morgens Zofran angehängt hat. Tja, hatte sie nicht, das wurde aber schnell nachgeholt.
Nachmittags bekam ich Besuch von Mamma und wir kamen auf meine Lieblingsthemen Patientenverfügung & Testament zu sprechen. *yay* Mamma, Georgina und ich schreiben wohl zusammen. Sie haben es wohl immer wieder vor sich hergeschoben, obwohl sie schon vor meiner Erkrankung eins schreiben wollten, zur Absicherung.
Na ja, und mein Körper machte insofern auf sich aufmerksam, als dass es sich so anfühlte, als hätte ich eine dicke, zähe Schleimschicht im Hals, die ich nicht abschlucken konnte. Nachdem ich so'n Adrenalin-Zeug inhaliert hatte wurd's dann aber besser. Positiver Nebeneffekt: ich war wach & hibbelig.

Am Sonntag, 27. Februar 2011 kamen dann Mamma, Colly & Anja zu Besuch. Ist euch eigentlich mal aufgefallen, wie oft wir den Tod unbewusst und ganz nebenbei thematisieren? " Das ist ja zum totlachen." und "Ich sterbe gleich vor Hunger." sind da nur einige Beispiele. Keine Angst, ich dreh' jetzt nicht durch deswegen, eigentlich lächel ich jedes Mal in mich rein, wenn soetwas gesagt wird. Schon komisch, wie es das Denken beeinflusst, wenn man so mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert wurde.

Montag, 28. Februar 2011:
Ich habe mich mit Jenni unterhalten. Wir sitzen sozusagen im selben Boot, denn ihr wurde auch gesagt, dass eine Heilung äußerst unwahrscheinlich ist. Wir sprachen unter anderem auch über irrationale Schuldgefühle, Testament schreiben und dergleichen (ich schrieb im letzten Post darüber). Es tat wirklich gut, zu erfahren, dass ich nicht die Einzige mit dem Schaden bin, denn Jenni geht's genauso. Wir wissen beide, dass das vollkommen bescheuert ist, aber so leicht lässt sich das nicht abschütteln. Man fragt sich doch hin und wieder, ob man nicht doch hätte mehr tun können, ob man es vielleicht nicht genug wollte oder derlei Schwachsinnigkeiten.

Am Dienstag, 1. März 2011 wurde ich dann endlich nach Hause entlassen.


Post Scriptum: Jenni schreibt nun auch über ihre Erlebnisse, schaut doch mal vorbei:
Silberschweif

Sonntag, 10. April 2011

2:0 für den Krebs? - Wieder in Rostock (21.-23. Februar 2011)



Montag, 21. Februar 2011:
Um 10:00 Uhr stellte ich mich wieder auf der Onko in Rostock vor. Mein Hals hatte ordentlich Zuwachs bekommen, sodass die Haus mittlerweile spannte. Ich bekam aber noch normal Luft, nur das Schlucken wurde unangenehm. Ich fragte den Doc, wie düster es aussähe und er wich aus. Mir war selbst klar, dass das kein größenwahnsinniger Lymphknoten war.
Also ging ich zur Sono (Ultraschall) und zum MRT, traf Fussel, die mir freundlicherweise ein Frustpaket aus Eis und einer Mädchenzeitschrift vorbeibrachte und bezog mein Bett in einem Zimmer, dass wir uns zu dritt teilen durften, weil die Station am Platzen war. Ich bekam den undankbaren Platz direkt an der Tür - wer zuerst kommt, malt zuerst. Am Dienstag zog ich dann in Jenny's Bett, da sie nach Hause ging.

Der Mittwoch, 23. Februar 2011 begann unschön. Ich musste um 6:30 Uhr aufstehen, durfte kein Frühstück essen, nur Wasser oder ungesüßten Tee trinken, weil ich jegliche Zuckeraufnahme vermeiden sollte. Gegen 7:45 Uhr war ich dann beim PET-CT (das ist übrigens eine Mischung aus Knochenzyntigrafie und CT). Nach dem Blutzuckermessen ließ ich mir das Prinzip dann erstmal erklähren, wir wollen ja nicht dumm sterben. Ich bekam radioaktiven Zucker gespritzt, musste Kontrastmittel trinken und durfte mich keinen Meter bewegen, außer, um auf Klo zu gehen. Der radioakive Zucker verteilt sich im Körper und wird von Zellen mit schnellem Stoffwechsel aufgenommen (also Krebszellen oder z.B. auch Muskelzellen, die Arbeit verrichten, deshalb das Bewegungsverbot). Wenn sich das schön erteilt hat, wird man durch die Röhren gejagt und dort, wo's auf den Bildern weiß leuchtet ist etwas nicht in Ordnung. Ich bin übrigens während der Untersuchung weggenickt, brauche halt meinen Schönheitsschlaf^^

Dann hatten wir gleich ein Gespräch in der Strahlenklinik. Die Ärztin war sogar die, die ich von 2009 noch kannte und sie erinnerte sich wohl auch an mich, denn sie sagte, sie hätte gehofft, mich nur noch in der Zeitung zu sehen. Darauf folgte ein relativ lockeres Gespräch, denn im Prinzip kenne ich das alles schon. Es sollten 12 Bestrahlungseinheiten á 3 Grey werden, also viel Strahlung in kurzer Zeit, um meinen Gnubbeln die volle Dröhnung zu geben. Mamma saß während des Gesprächs neben mir und nickte die ganze Zeit und sagte immer "ja...ja...hmm-hm...ja" und trieb mich zur Weißglut damit. Ich bat sie, damit aufzuhören, weil das stört und sie beschränkte sich auf teatralisches Ein-und Ausatmen -.-
Dann ging's weiter zum Maske ziehen. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen erkläre ich noch mal wie und wozu: in einem warmen Wasserbad wird eine Plastikplatte erhitzt, bis sie weich ist. Dann bekommt man einen Feinstrumpf über den Kopf gezogen (fast so wie ein Bankräuber), legt sich auf so eine spezielle "Liege" und bekommt die ziemlich heiße Platte auf's Gesicht. Diese wird dann nach unten gezogen und befestigt und man muss warten, bis sie hart wird (2-3 Minuten). Sie muss ganz eng an Gesicht un Hals anliegen, damit man bei jeder Bestrahlung exakt gleich liegt um nicht zu viel und das falsche Gewebe zu bestrahlen. Ich möchte behaupten, dass das nichts für Klaustrophobiker ist.

Dann folgte noch das Planungs-CT, mit dem die herausfinden, wo und wie bestrahlt wird, um möglichst nichts wichtiges zu beschädigen (Knochenmark z-B.).
Dann folgte, zurück in der Kinderklinik, das Gespräch, das alles verändert...
Der Doc führte uns in den Seminarraum. Hier werden die schlechten Nachrichten überbracht. Immer.
Der Doc sprach davon, die Krankheit so gut es geht zurückzudrängen und ich wusste, was er damit meint, aber ich wollte es hören. Ich fragte ihn danach und er eröffnete uns, dass die Chance auf Heilung so gering sei, dass von Wunderheilung die Rede sei, also alles, was wir jetzt noch betreiben als lebensverlängernde Maßnahme zu bezeichnen ist. Ja, ich werde sterben und wisst ihr, was das bescheuerte daran ist? Ich habe das Gefühl, versagt zu haben, als hätte ich einfach nicht alles gegeben und nur halbherzig gekämpft. Ich fühle mich schuldig, weil ich meine Familie und Freunde im Stich lasse, weil ich so egoistisch bin und gehe. Ich weiß, dass das völlig irrational ist und wohl kaum der Wahrheit entspricht, aber das ist es, was ich fühle und genau das ist es, was es für mich so grausam macht. Bevor auch nur einer von euch anfängt, mir in irgendeiner Weise Ratschläge zu erteilen: ihr könnt das nicht verstehen, weil ihr nicht ich seid, weil ihr (hoffentlich) noch viele Jahre vor euch habt und nicht wisst, dass ihr innerhalb der nächsten Monate sterben werdet. Also lasst es bitte!
Der Doc nannte uns drei Möglichkeiten, weiter zu verfahren.
1.: ein neues Chemoprotokoll mit neuen Medikamenten, dass eher experimentell angelegt ist.
2.: eine ambulante Behandlung mit Tabletten, die das Tumorwachstum so lange wie möglich aufhalten soll, oder
3.: wir machen nichts mehr, ich mache mir noch 'ne schöne Zeit und das war's.
Ich fragte ihn nach seiner Meinung und wurde mit meiner stillen Wahl, Weg Nr. 1 bestätigt.
Er legte mir außerdem nahe, mich, wenn ich mich dazu bereit fühle mit Patientenverfügungen ect. auseinanderzusetzen. Ich konnte mich das ganze Gespräch über erstaunlich gut zusammenreißen, bis er mir sagte, wie beeinduckend er meine Haltung findet. Wasser Marsch.
Außerdem erwähnte er, dass die Ergebnisse des PET-CTs noch ausstünden, sie aber in den Bildern noch zwei weitere mögliche Herde gesehen haben. Dann waren Mamma und ich allein und sie fragte immer wieder, was ich verbrochen hätte, dass ich so bestraft werde. Tja, keine Ahnung...
Sie fuhr dann nach Hause, weil wir, jeder für sich, erstmal mit der Situation zurechtkommen mussten. Georgina kam dann noch vorbei und wir redeten ein bisschen, bis Frau Dr. R. reinkam, um das endgültige Radiologieergebnis zu verkünden: keine weiteren Herde, nur der Hals. Naja, was heißt nur, aber ich fühlte mich so erleichtert und sagte mir spontan, dass ich, solange mir Möglichkeiten geboten werden die Hoffnung nicht aufgebe.
Es sollte noch schwer werden, daran festzuhalten...

Donnerstag, 7. April 2011

Stuttgart Teil 5 (17./18. Februar 2011) - Goodbye Stuttgart



Donnerstag, 17. Februar 2011:
Ich hatte mein Frühstück kaum beendet, als die frohe Botschaft eines erneuten Umzugs mich erreichte. Die Ambulanz war scheinbar am platzen und viele Neuaufnahmen waren sicher. Da ich als Krebspatient nicht mit infektiösen Patienten zusammengelegt werden darf und möglicherweise Privatpatienten im Anmarsch waren, die uuunbedingt ein Einzelzimmer wollten, zog ich an's Ende der Station zu einer alten Beißzange. Ich habe nichts gegen ältere Mitmenschen und auch nichts gegen Menschen, die direkt sind, aber ich bitte um Höflichkeit.
Nachdem ich mich mit einem Eis von Schwester K. verabschiedet hatte (Tränchen liefen), machte ich mich auf in den Kampf bzw. in eine lustige Nacht mit meiner neuen Freundin. Kurz bevor ich mich hinlegte, half ich ihr noch, ihr Pflaster zu befestigen, weil sie damit überfordert war - ich nettes Kind. Da ich am nächsten Tag früh rausmusste ging bei mir relativ früh das Licht aus. Sie interessierte das nicht sonderlich. Licht, Fernseher, Kopfhörer, die Dank voll aufgedrehter Lautstärke großes Kino veranstalteten. Ich schob mir Musik in die Ohren, in der Hoffnung, dem Musikantenstadl zu entkommen, da sprach sie mich an. Zuerst dachte ich, ich hätte mir das eingebildet (kommt in letzter Zeit öfter vor), aber beim zweiten Mal war ich mir ganz sicher.
Nachdem ich die Stöpsel aus den Ohren genommen hatte, blaffte sie mich an, ich solle die Heizung aufdrehen, ihr sei arschkalt. Okay, Lady, das kann man auch vernünftig sagen. Ich drehte von 2 auf 3, das musste reichen. Dann packte ich mir wieder Musik auf die Ohren und tat so, als würde ich schlafen. Sie hat mich wohl noch einige Male angesprochen, doch das war mir herzlich egal. Wenn sie was wollte, sollte sie klingeln, basta. Als ich nach Stunden endlich eingeschlafen war, ruckelte es an meinem Bett, sodass ich wach wurde. Yippie, Omi musste pullern und wollte dieses Event unbedingt mit mir teilen. Ich war am verzweifeln...

Freitag, 18.Febraur 2011:
Abschied von Schwester C. und ich heule schonwieder. Ich hab sie und K. so lieb gewonnen, dass es mir wirklich Leid tat, wieder abzureisen. Ich bekam eine super nette Karte und eine CD von ihr. Dann wurde mir nochmal gezeigt, wie man den Dreinage-Flachmann wechselt (weil ich das nicht 'ne ganze Woche jeden Tag gesehen hab - also für dumme Menschen wie mich nochmal extra).
Viola holte mich um 8:00 Uhr ab und eigentlich hätten wir sofort losfahren wollen, ich hatte extra darum gebeten, dass meine Entlassungspapiere um acht fertig und abholbereit sind, immerhin hatten wir einen Zug zu kriegen, der wahrscheinlich nicht auf uns gewartet hätte. Der erste sichtbare Arzt im Dienstzimmer telefonierte seelenruhig vor sich hin, die Schwester war am rumräumen und ich wurde langsam ungeduldig. Zum Glück kam ein junger Arzt aus dem Hinterzimmer, dem ich die Situation ziemlich genervt schilderte. Oh je, ich klang wirklich zickig und das tat mir auch sofort Leid. Als er wieder um die Ecke kam, erklärte ich ihm, dass ich nur der Zeitdrucks wegen so zickig wäre und er meinte, es wäre schon okay, er könne das verstehen.
Halb sechs war ich wieder zu Hause und auch wenn ich mich freute, meine Familie wieder um mich zu haben war es doch extrem nervig zu sehen, wie die Blicke ständig auf meinem zunehmend dicker werdenden Hals ruhten.