Dienstag, 24. Mai 2011

Von Matschmonstern und anderen Untieren

Da bin ich nach langer Zeit des Faulenzens wieder *yay*

Montag, 4. Mai 2011:
Auf Wiederholungsbesuch in der Strahlenklinik. Auch wenn ich mittlerweile Stammkunde dort bin, lerne ich doch immer wieder neue Leute kennen, einer interessanter als der andere. Die neueste Errungenschaft in meiner Sammlung witziger Situationen und Menschen war ein junger Arzt, erst seit wenigen Wochen an der Klinik. Mamma war zum Termin mitgekommen, da es immer ziemlich umständlich ist, Arztgespräche nochmal für sie durchzukauen und möglicherweise auftretende Fragen nicht beantworten zu können.
So kam es, dass er beim Gespräch über Risiken und Nebenwirkungen nicht mit mir, der volljährigen Patientin, sonder mit meiner Mutter sprach. Die ganze Zeit. Ohne mir groß Beachtung zu schenken. Da fühlt man sich doch ernst genommen.
Er wurde angepiepst und musste kurz zum Beschleuniger und ließ und allein. Als er aus der Tür war sahen Mamma und ich uns an und fingen laut an zu lachen. Über so viel Heiterkeit angesichts meiner Lage war er etwas irritiert, als er wiederkam, setzte aber tapfer das Gespräch fort, dass er mit meiner Ma führte. Ich dagegen ließ mich tiefer in den Stuhl sinken, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute demonstrativ aus dem Fenster, da meine mentale Anwesenheit scheinbar nicht erforderlich war. Das brachte ihn ganz schön aus dem Konzept. Klar, ich hätte ihn darauf hinweisen können, dass er das Gespräch mit mir zu führen hat, aber das war mein drittes Strahlemann-Vorgespräch und mittlerweile konnte er mir eh' nichts Neues mehr erzählen, warum also nicht abschalten und entspannen?!

Montag, 11. April 2011:
Wiedereinzug zum nächsten Block Chemo. Leider Gottes war mein Mund immernoch nicht abgeheilt, was die Karamellstückchen in meinem Eisbecher, den ich mit Resi nach einer Shoppingtour aß leider zu schmerzhaften Geschossen machte.

Am Dienstag, 12. April gab's Vomex und das war's vom Tag. Schlafen und Pullern.

Umso größer war der Schreck, als mich am Mittwoch, 13. April 2011 ein abartiges Matschmonster aus dem Spiegel ansah. Und es hatte auch noch mein Schlafzeug an!
Durch das viele Wasser, dass durch den Pullerbeutel in mich reinläuft und die waagerechte Lage beim Schlafen hatte ich Wasser eingelagert, aber nur im Gesicht. Ich sah wirklich grauenhaft aus und fühlte mich wie ein vollgesogener Schwamm, konnte die Augen kaum öffnen. Also verlangte ich Foresis, ein harntreibendes Mittel, um das überschüssige Wasser schneller wieder auszuscheiden. Schließlich wollte ich das Matschmonster nicht mit nach Hause nehmen.

Am Sonntag, 17. April 2011 bekam ich dann Besuch von Dexa und wir schafften es endlich, ein Beweisphoto zu schießen:
Die Zeit war viel zu schnell um, da waren wir uns einig. Es ist eine Sache, im Blog mitzuverfolgen, wie's dem anderen ergeht, aber eine ganz andere, ein aktives Gespräch darüber zu führen.

Das soll's erstmal gewesen sein, ich bemühe mich, diese Woche noch einen Eintrag zu verfassen, damit wir der Gegenwart näher kommen ;-)
Versprechen kann ich natürlich nichts, aber ihr kennt mich ja mittlerweile.

Eine schöne Woche, meine Lieben :-*

Mittwoch, 4. Mai 2011

Wochenlang Schmerzen



Donnerstag, 3. März 2011:
Einzug ins Krankenhaus mit abendlichem Wrap-Essen. Eigentlich war das eine Revanche, weil Daniel und seine Mutter mich in der vorangegangenen Woche zum Hotdog-Essen eingeladen hatten, aber nachdem ich die Erzieherin gefragt hatte, ob sie nicht mitmachen will fand sich am nächsten Tag die gesamte Station im Wintergarten ein. War aber ganz lustig und lecker.
Gegen 22:00 Uhr ließ ich mir meinen Wrap noch einmal durch den Kopf gehen (oder mit anderen Worten: ich erbrach ihn). Dafür muss es keinen besonderen Grund geben, der Magen kann sich einfach so gegen Lebensmittel wehren, die man sonst gut verträgt.

Am Freitag, 4. März 2011 ließ ich es gar nicht erst drauf ankommen und ließ mir Vomex geben, da ich nicht besonders scharf darauf war, die Wirkung der zwei Medikamente auszutesten.

Am Wochenende wurde es immer schlimmer mit meiner Schleimhaut. Ich konnte nicht mehr sprechen bzw. hatte große Schmerzen beim Reden und Schlucken. Wenn ich das beschreiben sollte, würde ich sagen: Halsschmerzen kenne wir ja alle, wenn's beim Schlucken mächtig weh tut und mit der Zunge bzw. im Mund ist es so, als wenn man sich an der Seite auf die Zunge beißt und auf die Innenseite der Wange, das allerdings als Dauerzustand. Das tut sch**** weh und braucht ewig, um abzuheilen.

Montag, 7. März 2011:
Nachdem alle Schmerzmittel, die wir bisher versucht hatten nichts halfen setzten wir also wieder meinen alten Freund, das Dipi, als letzte Hoffnung ein. Nachdem zu Beginn eine Ladung extra gespritzt wurde bekam ich starke Kreislaufprobleme und musste mich letzendlich übergeben.
Darauf folgte ein liegender Transport zur Strahlenklinik, bei dem mich Georgina begleitete. Ich hasse liegende Transporte, wiel ich ständig Angst habe, dass ich in der nächsten Kurve von der Trage plumpse oder meine Beine zermatscht werden, wenn uns jemand hinten rauffährt.
Außerdem musste ich meinen Termin für den nächsten Tag noch ändern lassen. Ursprünglich wollten wir am Folgetag anlässlich Anja's Geburtstags Essen gehen, aber das hatte sich für mich dank Schmerzen und unterirdischem Gesamtzustand erledigt. Ihr wisst ja, wie gerne ich früh aufstehe und ich hatte mir extra einen Horrortermin morgens in aller Herrgottsfrühe geben lassen, damit ich Nachmittags und Abends da sein konnte.
Abends gab's dann Flüssig-Schnitzel, sprich: künstliche Ernährung i.V. in den Katheter, damit ich nicht wieder so krass abmagere wie 2009 (wir erinnern uns: 49 kg bei 167cm). Das war das erste Mal Flüssig-Schnitzel für mich und es war irgendwie seltsam. Nicht, dass jetzt jemand denkt, ich krieg püriertes Schnitzel reingepumpt! Es handelt sich um eine Nährlösung mit Glukose und so, damit der Körper bekommt, was er braucht. Ich bin ja trotzdem für die herkömmliche Nahrungsaufnahme.

Bis Ende der Woche gab's dann noch Bestrahlung und von Tag zu Tag ging's mir schlechter. Es waren ja nicht nur die Schleimhäute in Mund und Hals betroffen, sondern sämtliche... also auch im Darm. Ich erwähne hier nur am Rande, dass Stuhlgang kein allzu lustiges Thema war.
Dann kam auch noch Nasenbluten dazu. Das ist bekannterweise mein Hauptproblem, wenn die Blutwerte abfallen, aber DAS war krass. Teilweise habe ich vier oder fünf Stunden geblutet, es lief manchmal wie rotes Wasser. Und dann kommen Ratschläge, bei denen man, nachdem man sie zum zehnten Mal gehört hat, denkt, das sie unmöglich ernst gemeint sein können. Ich solle die Nase zudrücken, den Kopf in den Nacken legen und noch so einige andere Weisheiten, deren Folge wäre, dass das Blut nach hinten in den Hals laufen und Brechreiz verursachen würde. Also wirklich: ich habe nun schon mein halbes Leben Nasenbluten, ich denke, ich weiß, was ich tue. Außerdem würde Brechreiz mit den kaputten Schleimhäuten wieder unglaubliche Schmerzen verursachen.

In der Woche darauf: Nasenbluten und Schmerzen, wer hätte das gedacht?! Ich bekam Neupogen (das Zeug, das dem Knochenmark nahelegt, wieder Leukos zu produzieren) und bei Nasenbluten so ein neues Gerinnungsmittel, das mir einige Stunden Nasenbluten ersparte. Es ist wohl noch relativ neu auf dem Markt und wurde auf unserer Station noch gar nicht verwendet. Ich komme mir manchmal wie Medikamenten-Testgelände vor.

Die Woche danach war auch nicht besser, eher schlimmer. Solange es mir relativ gut geht, kann ich hoffen, dass ich trotz unterirdisch geringer Heilungschance doch noch gesund werde. Bei den Schmerzen allerdings, die ich nun schon zwei Wochen ertrug war es kaum verwunderlich, dass ich am liebsten hingeschmissen hätte. Ich konnte weder essen noch trinken noch sprechen, mich kaum aus dem Bett bewegen... Und dann fragt man sich, wozu man sich diese Scheiße eigentlich noch antut.

Es ist eine Gratwanderung, ein Balanceakt auf dem Hochseil, den einerseits denke ich mir: "Haut rein, Leute, ich mach' mir noch 'nen bunten und bin dann weg vom Fenster...", andererseits will ich kämpfen, weil ich irgendwo immernoch glaube, dass ich's schaffen kann.
Am Freitag der Woche hatte ich die Schnauze dann voll und verlangte Entlassung nach Hause. Es wird mit steigender Anzahl an Tagen im Krankenhaus immer schwerer, die Leute nicht anzupampen. Mir ist zwar bewusst, dass keiner dort eine persönliche Schuld an meinem Zustand hat, aber es fällt schwer, den Frust nicht an ihnen auszulassen.
Zumindest herrschte Gerechtigkeit, denn meine andere Schwester, Nicole, hatte auch Geburtstag und ich konnte auch da nicht dabeit sein. So fühlt sich wenigstens keiner bevorteilt^^

Ein anderes Thema noch im Anhang: es ist wohl relativ klar, dass ich zur Zeit sehr mit mir selbst und meiner Situation beschäftigt bin und ich finde, da kann es echt nicht sein, dass ich auf Fromspring Kommentare lesen muss, in denen mir zum Vorwurf gemacht wird, dass ich mich angeblich nicht melden will und euch immer viel zu lange ohne Informationen lassen (weil ich keine anderen Sorgen habe, als Blogeinträge und Videos zu produzieren, wenn ich ununterbrochen Schmerzen habe, stundenlang blute und fast verzweifel) und noch viele andere Nettigkeiten. Wisst ihr, man geht das erste Mal seit Wochen wieder ins Internet und wird zugenörgelt. Yippie, das hebt die Stimmung.
Natürlich gibt es sooo viele liebe Leute, die ihr Hirn benutzen und sich schon denken, dass es mir nicht gut geht, wenn ich drei Wochen abtauche und hinterlassen supernette Kommentare. Das baut auf.
Ich werd's weiterhin so machen, wie ich das will. Irgendwer hat mal gesagt: "Das Leben ist zu kurz um so zu sein, wie andere mich gern hätten." Schlaues Kerlchen.

Auch wurde sich darüber mokiert, dass ich mich über jeden Scheiß aufrege (was ich ja hiermit bestätige - weil ich's kann). Ja, tue ich, und wenn ich das nicht tun würde, hätten wir hier wahrscheinlich nichts mehr zu lachen hier. Es ist nunmal meine Art, jeden Scheiß auf's Korn zu nehmen und das bleibt auch so.

Das soll's erstmal gewesen sein ;-)